
Süddeutsche Zeitung 19.04.2018
Der Sound der Triebwerke
Der Musiker und Komponist Markus Muench gestaltet gemeinsam mit der Pianistin Masako Ohta und Audio-Files der Mondmissionen ein musikalisches Expeditionsprogramm
… Ein weiteres ist das Musikprojekt „lunar_“ von Markus Muench, das an diesem Freitag im Einstein Kultur mit „lunar_samples“ startet. Auch Muench versteht nicht so recht, was Trump auf dem Mond will. Aber auf Nachfrage meint der in Erding lebende Musiker und Komponist, dass es wohl doch eine politische Prestige-Geschichte ist. Und weil die Zeit seiner Präsidentschaft für die erste Marsmission nicht reicht, muss es eben der Mond sein. Für „lunar_“ war der US-Präsident trotz allem nicht Impulsgeber. Denn die Idee zu seinem musikalischen Mondfahrtprogramm hat Muench schon einige Monate vor Trump gehabt. Anlass dafür, sagt er, war in der Tat das Wissen um das Jubiläum. Das hat ihn dazu gebracht, im Internet nach Audiomaterial von den Mondfahrten zu schauen, und das Ergebnis waren: 800 Audio-Files mit einer Dauer von jeweils vier Stunden. Den Flug von Apollo 17 gibt es unter apollo17.org sogar komplett als Multi-Media-Real-Time-Event. Diese Unmenge an Material ist vorwiegend dem 40. Jubiläum der ersten Mondlandung zu verdanken. Denn damals haben sich, so Muench, Leute von der Nasa die Arbeit gemacht, das alles ins Internet zu stellen und das auch noch in hochqualitativen Wave-Files. Nur eines davon herunterzuladen, hat laut Muench „vier bis fünf Stunden gedauert. Mein Rechner war wirklich monatelang mit diesen Downloads besetzt“. Und danach musste er sich das Material ja auch noch anhören. Was er darauf gesucht hat, war ihm selber nicht ganz klar. Er wusste nur: Es sollten nicht die altbekannten Dinge sein. Wie etwa Neil Armstrongs berühmter Satz: „Das ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, ein großer Sprung für die Menschheit“.
Was man nun an diesem Freitag beispielsweise hört, das sind überraschend witzige Gespräche zwischen Astronauten, die beim Suchen nach Gesteinsproben entstanden sind. Oder die Gleichlaufschwankungen des Originaltonbands. Gerade solch unerwartete Klänge faszinieren Markus Muench, der Violine in München und Würzburg sowie Radio-Musik-Journalismus in Karlsruhe studiert und in verschiedensten Formationen wie 48 Nord, Ensemble Resonanz oder dem BR-Sinfonieorchester gespielt hat. Außerdem hat ihn schon immer die Arbeit mit Dokumenten fasziniert, wie man sie auch bei Steve Reich oder Matthew Herbert findet, und die Muench mit dem Vorgehen eines Bildhauers vergleicht. Nur arbeitet man statt mit Stein oder Holz mit Klängen, mit denen man dank heutiger Technik „alles Mögliche machen kann“. Auch das Mondmaterial hat Markus Muench technisch verändert. Und er hat daraus eine aus vier Kapiteln bestehende Collage gemacht, zu der er am Freitag an Violine, Keyboard und Sampler mit der Münchner Pianistin Masako Ohta improvisiert. Kapitel 1 heißt „lunar_tapes“ und besteht ausschließlich aus Original-Samples, die sich zu einer Klanglandschaft formieren. Kapitel 2 ist „lunar_landings“. Hierfür hat Muench Raketengeräusche von Apollo 11 bis 17übereinander kopiert und verspricht: „Das wird sehr geräuschvoll sein.“ Kapitel 3 heißt „lunar_samples“. Hier geht es um die Zeit auf dem Mond, also etwa das Sammeln von Mondgestein, bevor sich abschließend das Kapitel „lunar_rests“ den Schlafperioden widmet.
Damit ist die Klangreise zum Mond aber nicht beendet. Denn am 27. Oktober steht im Einstein Kultur mit „lunar_materials“ ein weiteres Konzert mit Masako Ohta an. Außerdem sind für 2019 mehrere Aktionen im neuen ESO Supernova Planetarium geplant, das am 28. April in Garching eröffnet. So will Muench eine Klanginstallation kreieren, die dann für längere Zeit dort laufen soll. Die zugehörige Komposition möchte er zudem konzertant mit Musikern umsetzen sowie eine CD und ein Hörstück für den Rundfunk produzieren. Das heißt: „lunar_samples“ ist nur der erste kleine Schritt, und im Herbst und neuen Jahr geht es dann in großen Sprüngen auf dem Mond weiter. (Jürgen Moises)

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